(Rape of Dulcinea)
(Dieses Essay verfasste ich als Antwort auf
einen langen Artikel von Elie Wiesel[27],
einem amerikanisch-jüdischen Holocaustaktivisten und
Nobelpreisgewinner, im Januar 2001.)
I
Die rührenden Worte von Elie Wiesel zeichneten
ein wunderschönes Portrait des jüdischen Volkes, das
jahrhundertelang liebevoll an Jerusalem dachte, sich nach ihm
sehnte und dafür betete und seinen Namen von Generation zu
Generation pries.
Dieses mächtige Bild erinnerte mich, einen
israelischen Schriftsteller aus Jaffa, an etwas, das mir bekannt
vor kam, jedoch schwer fassbar war. Endlich konnte ich die
Verbindung herstellen, als ich meine zerlesene Ausgabe von Don
Quijote durchlätterte. Wiesels bewegender Artikel erinnert so
wundervoll an die unsterbliche Liebe des Ritters von der
Traurigen Gestalt zu seiner schönen Dulcinea von Toboso. Don
Quijote reiste durch ganz Spanien und verkündete ihren Namen. Er
verbringt Heldentaten, besiegt Riesen, die sich als Windmühlen
entpuppen, bringt den Unterdrückten Gerechtigkeit, alles nur für
seine Geliebte. Als er sich schliesslich für ihrer würdig hält,
schickt er seinen Waffenträger, Sancho Panza, zu der Dame seines
Herzens mit einer Liebeserklärung.
Nun bin ich selbst in dieser etwas peinlichen
Lage Sancho Panzas. Ich muss meinen Herrn, Don Wiesel Quijote,
darüber informieren, dass es seiner Dulcinea gut geht. Sie ist
glücklich verheiratet, hat ein paar Kinder und ist ziemlich
beschäftigt mit Wäschewaschen und anderen Hausarbeiten. Während
er Schurken bekämpfte und Gouverneure wieder einsetzte, kümmerte
sich jemand anderes um seine Liebste, versorgte sie mit Essen,
liebte sie, machte sie zur Mutter und Grossmutter. Eile nicht
nach Toboso, lieber Ritter, oder es könnte Dir das Herz brechen.
Elie, das Jerusalem, das Sie mit so bewegenden
Worten beschreiben, ist heute nicht und war niemals verlassen.
Die Stadt hat glücklich jahrhundertelang gelebt in der Umarmung
anderer Leute, den Palästinensern von Jerusalem, die sich gut um
sie gekümmert haben. Sie machten sie zu der wunderschönen Stadt,
die sie ist, schmückten sie mit der grossartigen goldenen Kuppel
von Haram al-Sharif, bauten Häuser mit Spitzbögen und
grosszügigen Verandas und pflanzten Zypressen und Palmen.
Sie haben nichts dagegen, dass der herumirrende
Ritter ihre geliebte Stadt besucht auf seinem Weg von New York
nach Saragosa. Doch sei vernünftig alter Mann. Bleib innerhalb
des Rahmens der Geschichte und innerhalb der Grenzen des
üblichen Anstands. Don Quijote fuhr nicht mit seinem Jeep nach
Toboso um seine alte Flamme zu vergewaltigen. In Ordnung, Sie
haben sie geliebt und an sie gedacht, aber das gibt Ihnen nicht
das Recht ihre Kinder zu töten, ihren Rosengarten niederzuwalzen
und Ihre Stiefel unter ihren Esszimmertisch zu stecken. All Ihre
Worte beweisen nur, dass Sie Ihre Sehnsüchte mit der Realität
verwechseln. Sie fragen sich, warum die Palästinenser Anspruch
auf Jerusalem erheben? Weil die Stadt ihnen gehört, weil sie
dort leben und es ihre Heimatstadt ist. Zugegeben, Sie haben von
ihr im entfernten Transsylvanien geträumt. So ging es vielen
Menschen auf der ganzen Welt. Die Stadt ist so wunderschön und
ist es sicherlich wert, von ihr zu träumen.
II
Viele Menschen haben diese Stadt durch alle
Zeitalter hindurch geliebt. Schwedische Farmer haben ihre Dörfer
verlassen und sind dorthin gezogen, um die nette amerikanische
Kolonie zusammen mit den Vesters, einer devoten christlichen
Familie aus Chicago, aufzubauen. Sie können darüber in den
Werken von Selma Lagerlof lesen, einer weiteren
Nobelpreisträgerin. Auf den Hängen des Ölbergs erbauten die
Russen die zierliche Maria-Magdalena Kirche. Die Äthiopier
errichteten ihre Auferstehungskapelle auf den Ruinen,
zurückgelassen von den Kreuzrittern.
Die Briten sind für sie gestorben und
hinterliessen die St. Georg und St. Andrew Kathedralen als
architektonisches Erbe. Die Deutschen erbauten das nette
deutsche Viertel und pflegten die Kranken im Schneller
Krankenhaus. Mein strenggläubiger Grossvater begab sich in den
Schutz ihrer dicken Mauern im Jahre 1870. Er kam aus einem
jüdischen Dorf in Lithauen und legte sein Schicksal in die
gastfreundlichen Hände der Jerusalemer. Er fand seine ewige Ruhe
bis zum Tag der Auferstehung auf den Hängen des Ölbergs. Keiner
von ihnen dachte daran, ihre Dulcinea zu vergewaltigen. Sie
liessen nur Gedenksträusse architektonischer Blumen zurück als
Zeugnis ihrer Anbetung.
Es gibt massenweise Leute, die Jerusalem lieben.
Es ist unaufrichtig von Elie Wiesel, den Kampf um diese Stadt
auf ein Tauziehen zwischen Moslems und Juden zu reduzieren. Es
geht vielmehr um einen Kampf derer, die das Besitztum begehren
versus diejenigen, die die beurkundeten Besitzer sind.
Die Lösung dieses Falles sollte im Zehnten Gebot gesucht werden,
das unsere Väter befolgten. Sie wussten, dass Verehrung nicht
gleichzeitig das Recht auf Eigentum verleiht. Millionen von
Protestanten verehren den Garten von Gethsemane, der sich in
katholischem Besitz befindet, doch das allein verleiht ihnen
nicht das Eigentumsrecht. Millionen von Katholiken besuchen die
Grabstatt der heiligen Maria, doch sie gehört immer noch der
Östlichen Kirche. Über Generationen hinweg knieten Moslems vor
der Geburtsstätte Jesu in Betlehem nieder, doch die Kirche
bleibt christlich.
III
Den gleichen Effekt wieWasser auf die Gremlins
in Spielbergs Filmen, hatte der Zionismus auf die fröhlichen
jüdischen Menschen in Osteuropa. Er brachte sie dazu,
Westjerusalem von Nichtjuden ethnisch zu säubern, das Schneller
Krankenhaus und die Kirche in eine militärische Basis
umzufunktionieren und ein Holiday Inn auf der Gedenkstätte an
Scheich Bader zu errichten. Der jüdische Staat verbietet es den
Christen Bethlehems in der Heiligen Grabstätte zu beten und
schliesst Moslems unter vierzig Jahren vom Freitagsgebet in der
Al-Aqsa Moschee aus. Das ist die Vergewaltigung der
Heiligen Stadt, die Sie der Liebe zuschreiben.
Um diese Vergewaltigung zu rechtfertigen,
berufen Sie sich auf König Salomon und Jeremiah, zitieren den
Koran und die Bibel. Lassen Sie mich Ihnen eine jüdisch
chassidische Geschichte erzählen, die Sie vielleicht noch aus
Ihrer Kindheit kennen. Eine jüdische Midrasch, eine Legende,
erwähnt, dass Abraham eine Tochter hatte. Ein einfacher
Chassidim fragte seinen Rabbi, warum Abraham nicht seine Tochter
mit seinem Sohn Isaac verheiratet hätte. Der Rabbi antwortete,
dass Abraham nicht seinen realen Sohn mit seiner legendären
Tochter verheiraten wollte.
Legenden sind der Stoff aus dem Träume gemacht
sind. Einige sind charmant, andere furchtbar und keine Legende
kann als Besitzurkunde oder politische Plattform geltend gemacht
werden. Elie, Sie würden sicherlich nur ungern ihr Zuhause in
New York auf Grund einiger Verse im Buch der Mormonen verlieren.
Das Spiel ist zwar ziemlich irrelevant, doch ich werden noch
eine weitere Runde mit Ihnen spielen, um der Unterhaltung der
Menge willen. Jeder Archäologe wird Ihnen bestätigen, dass König
Salomon und sein Tempel zur Fantasiewelt von Abrahams Tochter
gehören. Ausserdem, nicht dass das wichtig wäre, kommt der Name
„Jerusalem“ kein einziges Mal in der Torah, dem jüdischen
heiligen Buch, vor.
Möchten Sie noch weiter spielen? Ich zeige Ihnen
noch mehr. Die Juden werden in der jüdischen Bibel nicht einmal
erwähnt. Nehmen Sie doch einmal dieses dicke Buch von Ihrem
Bücherregal und sehen Sie nach. Keiner der grossartigen und
legendären Männer, die Sie erwähnten, von König David bis zu den
Propheten, wurde „die Juden“ genannt. Diese völkische
Bezeichnung kommt zum ersten und einzigen Mal in der Bibel in
der persischen Geschichte des sehr späten Buches Esther vor. Die
Selbstidentifikation der Juden mit den Stämmen Israels und mit
den Bibelhelden ist so gültig, wie die Geschichte, dass Rom vom
trojanischen Prinz Aeneas gegründet wurde. Falls die modernen
Türken, die sich selbst als die „Nachkommen Trojas“ bezeichnen,
Rom eroberten, Borrominis barockes Meisterwerk sprengten und die
Bewohner vertrieben, um das Erbe Aeneas anzutreten, würden sie
nur den Irrsinn der Zionisten wiederholen.
IV
Unsere Vorfahren, die bescheidenen Osteuropäer
aus Yids, deren Sprache Yiddisch war, hatten die Tradition, sich
selbst mit den beeindruckenden heraldischen Löwen der biblischen
Helden zu schmücken. Ihre Beanspruchung der Abstammung von
diesen Legenden war so echt, wie Thomas Hardys ehrgeiziges
Landmädchen Tess. Doch sogar die erfundene Tess stiftete keine
Verschwörung an, um die Lords aus ihrem Schloss werfen zu lassen
und das Anwesen für sich zu beanspruchen.
Einst ging ich mit den christlichen Pilgern zur
grossartigen Heiligen Grabstätte und wurde von einem
chassidischen Juden aufgehalten. Er fragte mich, ob meine
Begleiter Juden seien und rief erstaunt aus, nachdem er eine
negative Antwort erhalten hatte: „Was wollen diese Goyim
(Nichtjuden) in der Heiligen Stadt?“ Er hatte noch nie etwas von
der Passion Christi gehört, dessen Namen er nur als Schimpfwort
benutzte. Ich bin gleichermassen erstaunt, dass ein jüdischer
Professor einer Bostoner Universität so ignorant ist wie ein
einfacher chassidischer Jude.
Jerusalem ist für Millarden von Gläubigen eine
heilige Stadt: Katholiken, Protestanten und Östliche Christen,
sunnitische und schiitische Moslems, Tausende von chassidischen
und sephardischen Juden. Dennoch unterscheidet sich Jerusalem
als Stadt in keinster Weise von irgendeinem anderen Ort auf der
Welt; sie gehört ihren Einwohnern.
Zwanzig weitere Jahre unter zionistischer
Kontrolle werden diese alte Stadt in ein weiteres Newark
verwandeln und sie für immer ihres Charmes berauben. Jerusalem
muss seinen Einwohnern wieder übereignet werden. Das
beschlagnahmte Eigentum in Talbieh und Lifta, Katamon und Malcha
sollte an seine ursprünglichen Besitzer zurückerstattet werden.
Professor Wiesel, respektieren Sie nichtjüdische Besitzrechte
so, wie Sie von Nichtjuden erwarten, dass sie Ihr Recht auf Ihr
nettes Haus respektieren. Die heiligen Stätten von Jerusalem
werden von dem 150 Jahre alten internationalen Status Quo
geregelt, an dem man nicht rühren sollte. Der letzte Versuch,
daran zu rühren, führte zur Besetzung von Sevastopol und dem
Angriff der Lichtbrigade bei Balaklava. Der nächste Versuch
könnte einen Atomkrieg auslösen.
Dieses Essay verfasste ich als
Antwort auf einen langen Artikel von Elie Wiesel :
“Jerusalem
in My Heart” New York
Times, 25. Januar 2001.
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