Die Eidechsen von Jaffa
Israel Shamir
I
Dieser Mai war eine Zeit der grossen Ernüchterung für die
Russen. Jahre sind vergangen, seitdem sie sich vom Kommunismus
verabschiedet, die Sowjetunion zerbrachen und allen Ländern, die
sie jemals kontrollierten, Unabhängigkeit gewährten (oder an die
USA weggaben), westlichen Unternehmen erlaubten, ihre Erbstücke
und ihre Lebensgrundlagen zu kaufen oder zu verkaufen, ihre
Militärbasen schlossen und ihre Raketen und Unterseeboote im
Frieden vor sich hinrosten liessen und jeden Befehl und Wunsch
der USA erfüllten. Dann bereiteten sie die Grosse Siegesfeier
vor, luden Gäste ein, polierten ihre Medaillen, erzählten von
Neuem die Geschichten des grössten Heroismus… und bekamen die
kalte Schulter der USA und Grossbritannien gezeigt, ihren
ehemaligen Verbündeten im Zweiten Weltkrieg. Präsident Bush, wie
immer taktvoll, eilte nach Tiflis und verkündete, dass es keinen
grossen Unterschied zwischen Nazi-Deutschland und der
Sowjetunion gegeben habe.
«Oh Gott, warum haben wir für sie gekämpft?»
dachten viele Russen.
«Warum unterstützten wir die anglo-amerikanische Landung in der
Normandie, statt mit dem praktisch besiegten Deutschland im
Frühling 1944 einen Separatfrieden zu unterzeichnen, als unser
Land befreit war? Warum mussten so viele russische Soldaten
kämpfen und sterben, als sie Polen, die Tschechoslowakei oder
die West-Ukraine befreiten? Jetzt sehen wir, dass die Tschechen
und die Polen die deutsche Hegemonie bevorzugen, sie lassen sie
auf dem Wege der EU-Verträge herein. Die West-Ukraine feiert
ihre Freiwilligen in der SS-Division und verlangt die
NATO-Mitgliedschaft. Wir hätten sie‘s auf ihre Weise regeln
lassen können, hätten uns hinter der alten Grenze nicht
weggerührt und hätten die Wehrmacht mit ‹Private Ryan›
verhandeln lassen können.»
Wenn Zeit-Übertragung möglich wäre, ist es – ganz zweifellos –
das, was 1944 passieren würde; und wir würden heute in einer
anderen Welt leben. In dieser alternativen Welt müssten die
Russen nicht den Klagen eines amerikanischen Präsidenten
zuhören, warum sie so grob mit ihrem Feind waren.
Solche überaus ungerechte Philippiken erscheinen in den
westlichen Medien, weil die westliche und östliche Sichtweise
des Krieges sich stark unterscheiden. Für die Russen und ihre
Nachbarn war das Entscheidende ihr grosser Sieg über den
deutschen Feind, doch im Westen löschte der jüdische Holocaust
die Siege von Stalingrad und Berlin aus der Einnerung. Der
Westen übernahm eine merkwürdige Erzählung, die das jüdische
Schicksal in den Mittelpunkt stellt. Nach dieser Geschichte
beschlossen die Deutschen, alle Juden auszurotten, vom Baby bis
zum alten Mann, deshalb führten sie den Krieg. Die Welt übersah
gefühllos die jüdische Tragödie aber ein Wunder geschah: Die
Juden wurden gerettet und gründeten ihren Staat Israel aus der
Asche des Holocaust.
Vom russischen Standpunkt aus gesehen, verübte die UdSSR nicht
«abgebrühte Gefühllosigkeit», sondern vergoss das Blut ihrer
besten Söhne und Töchter. Der Krieg wurde nicht für oder wegen
den Juden geführt, aber Russland verdient auf jeden Fall deren
ewige Dankbarkeit, weil es sie aus der Gefahr rettete. Wegen
diesem Anspruch auf jüdische Dankbarkeit gingen die Russen eine
lange Wegstrecke mit den Schöpfern der Holocaust-Geschichte;
aber jüdische Dankbarkeit war extrem kurzlebig (wie sie
gewöhnlich ist – siehe mein Essay
Prince Charming)1.
In der gegenwärtigen jüdischen Erzählweise, die dank der
Anstrengungen der jüdischen Medienbesitzer im Westen zur
offiziellen Version der modernen Geschichte wurde, glänzten die
UdSSR/Russland durch Abwesenheit. Sogar die Amerikaner
erscheinen in dieser Story als Leute, die darin versagten,
Auschwitz zu bombardieren und die den Deutschen ihr Know-how zur
Verfügung stellten. In den endlosen Korridoren des
Yad Vashem Holocaust Memorials
in Jerusalem wird die Rote Armee nicht einmal erwähnt. Millionen
von umgekommenen russischen Soldaten finden keinen Platz in der
zionistischen Erzählung über die jüdische Tragödie, über den
heroischen jüdischen Kampf und über eine gleichgültige,
nichtjüdische Welt.
Die amerikanischen und europäischen Führer haben die jüdische
Erzählweise voll und ganz übernommen, nicht zuletzt, weil es sie
von den Verpflichtungen ihrem Verbündeten gegenüber befreite,
welcher die riesige Last des Krieges auf seinen Schultern
getragen hatte. Sie beobachteten verständnislos und irritiert
die Siegesfeiern in Moskau. Für sie fand das Schlüsselereignis
einige Monate früher in Auschwitz statt: im Gegensatz zu Moskau
versäumte es keiner von ihnen, dort zu erscheinen und um
jüdische Vergebung zu bitten. Für sie war die jüdische Tragödie
das einzige wichtige Ereignis von 1945; was den Sieg betrifft –
welcher Sieg?
Dieser Sieg wurde gestohlen. In Israel sprachen sie an diesem 9.
Mai über den Heroismus der jüdischen Soldaten und Partisanen,
als ob diese den Krieg eigenhändig gewonnen hätten. Der
israelische Schullehrplan berichtet nicht über den Krieg ausser
im Zusammenhang mit dem Holocausts. Die wohlgenährte israelische
Ignoranz ist komplett:
Ein russischer Student schrieb eine Abschlussarbeit über den
Kampf um Moskau im Winter 1941 und erwähnte sie bei einem
Treffen mit israelischen Studenten in Tel Aviv.
«Wer kämpfte eigentlich gegen wen 1941 in Moskau?»
fragte ein israelischer Jugendlicher. Nach kurzem Schweigen
erklärte ein israelischer Lehrer:
«Die Deutschen kämpften gegen die Japaner!»
Auf diese Weise verdunkelte der jüdische Holocaust den Krieg und
den sowjetischen Sieg. Die westlichen Antikommunisten wollten
den Sieg stehlen; die Zionisten halfen ihnen dabei, hatten aber
ihre eigenen Interessen im Sinn. Jetzt sammeln sie Milliarden
für Wiedergutmachung, während die heroische Leistung unserer
Väter vergessen ist. Für mich, einen Bewohner von Jaffa,
erinnert diese Verdrehung von Ereignissen an die Sage von
Perseus und seinem Sieg über das Meeresungeheuer. Vielleicht
erinnern Sie sich, wie das Meeresungeheuer Jaffa mit Zerstörung
drohte, falls die Prinzessin Andromeda nicht seinen Pranken
ausgeliefert würde; wie Perseus die Meduse Gorgona köpfte, die
geflügelten Schuhe von Hermes anzog, nach Jaffa flog und das
Meeresungeheuer in Stein verwandelte und so die Prinzessin
Andromeda rettete.
Stellen Sie sich jetzt vor, dass einige Jahre nach dieser
Heldentat ein junger Mann namens Jason beschloss, die Geschichte
zu untersuchen und einen Blick auf die Prinzessin zu werfen. Er
versammelte seine Freunde, junge Athener Ehrenmänner mit viel
Freizeit, und segelte mit seinem schwarzen Schiff ostwärts. Wind
und Strömung waren günstig und das Schiff erreichte Jaffa
schnell und sicher. Falls die Athener Zweifel an Perseus
Wahrhaftigkeit hatten, so wurden diese überzeugend vertrieben:
die riesige, massige Gestalt des Meeresungeheuers war an den
Felsen einige hundert Yard vor der Küste gestrandet, und schuf
so einen Hafen wie einen anheimelnden Schlupfwinkel. (Es ist
immer noch dort und wird den Touristen gezeigt).
In einem Café, wo einheimischer Arrak angeboten wird, ein
feuriges, milchiges Getränk, dem hellenischen Ouzo nicht
unähnlich, erkundigten sich die Athener nach dem
Meeresungeheuer.
«Ja, dieses Skelett ist eine ewige Mahnung an die grosse
Eidechsen-Tragödie»,
sagte der Barmixer.
«Was für eine Eidechsen-Tragödie»,
fragte ein Seemann.
«Das Monster verschlang die Eidechsen»,
sagte der Barmann.
«Die Eidechsen, diese harmlosen, erlesenen und anmutigen
Kreaturen waren seine bevorzugte Nahrung. Jeden Tag verschluckte
es Tausende von ihnen. Die Eidechsen wären ausgerottet worden,
wäre das Monster nicht erschlagen worden. Bis heute haben wir
einen Eidechsen-Tragödie-Erinnerungstag und hier ist die
Gedenkstätte der Verschlungenen Eidechse.»
Wirklich, unsere Seeleute hatten bis jetzt eine bescheidene
Skulptur nicht bemerkt, die den Hauptplatz verschönerte. Sie
stellte eine Eidechse in gequälter Haltung dar, ihr Schwanz war
weg und ihre kleinen Klauen waren zum blauen Himmel von Jaffa
erhoben.
«Sonderbar! Wir haben von Perseus niemals etwas von dieser
Eidechsen-Sache vernommen»,
murmelte Jason.
«Oh, Perseus!»
rief der Barmann.
«Er kümmerte sich nie um Eidechsen. Es gibt furchtbare
Geschichten, dass er selber viele Eidechsen tötete. Als er
leichtsinnig mit seiner Waffe, dem Medusenhaupt herumfuchtelte,
wurden Tausende von Eidechsen in Stein verwandelt. Einige Leute
sagen, dass Perseus nicht besser war als der Drache selbst.»
Der Sohn des Barmanns mischte sich in ihr Gespräch ein:
«Wir haben in der Schule gelernt, dass dieser Perseus auch sehr
sittenlos war. Er hatte viele schmutzigen Abenteuer, nutzte die
alten Frauen, die Graien aus, brachte die arme Gorgone im Schlaf
um; und noch schlimmer – er ermordete seinen eigenen Vater!»
«Er war ein Massenmörder»,
schaltete sich ein anderer Bewohner von Jaffa ein, der mit
seinem Arrak und seinen Oliven zugange war,
«er ermordete Polydectes, den Freier seiner Mutter und viele
andere mit dem gleichen Gorgonenkopf. Perseus ist nicht unser
Held, denk daran!»
«Jedesmal wenn wir auf den Hafen blicken und das Monster sehen,
preisen wir den allmächtigen Gott für die Rettung der
Eidechsen»,
stimmte ein Priester fromm ein.
«Aber er besiegte den Drachen!»,
brüllte Jason.
«Der Drache wurde bezwungen durch den gemeinsamen Einsatz der
tapferen Eidechsen und ihrer menschlichen Freunde. Perseus
spielte nur eine untergeordnete Rolle in diesem Drama. Jedermann
hätte tun können, was er tat, er schleuderte nur das
Medusenhaupt auf den Drachen und verwandelte ihn in Stein. Aber
davor fochten unsere alliierten Kräfte einen gefährlichen und
brutalen Krieg aus; Tausende von Eidechsen griffen das Monster
und wir alle beteten für dessen Ende. Meinst du nicht, dass
unsere Gebete an erster Stelle erwähnt werden sollten als der
wichtigste Grund für den Sieg?»
«Aber warum reden wir über die Bezwingung des Drachens?»
fragte der Sohn des Barmanns.
«Der Drache wurde von allen besiegt und auf jeden Fall ist die
wichtige Geschichte für uns die Tragödie der Eidechsen. Und
Perseus ist nicht unser Held.»
«Seid ihr Eidechsen?»,
fragte der wagemutige Jason.
«Oh nein, wir sind Menschen. Aber die Eidechsen sind das Beste,
was uns jemals passierte. Wir folgen immer ihrem Rat.»
«Und was geschah mit Adromeda?»
– fragte Jason.
«Nichts besonderes. Ihr Haus ist da draussen, an der
Eidechsen-Strasse.»
Die Seemänner zahlten für ihre Getränke und schritten fort zu
dem Haus, das der Barmann ihnen gezeigt hatte. Andromeda, die
Wunderschöne, war da. Sie war offensichtlich überrascht, als die
Segler ihr die Grüsse von Perseus überbrachten.
«Es scheint, dass die Leute von Jaffa vergessen haben, wer Sie
vor dem Drachen gerettet hat. Aber Sie, Andromeda, Sie erinnern
sich sicherlich an Perseus, der Sie gerettet hat?»
fragte Jason.
«Perseus?»
fragte die Prinzessin, und starrte durch das Fenster auf das
Denkmal der Verschlungenen Eidechsen.
«Perseus? Er kümmerte sich nie um die Eidechsen.»
Das griechische Team erhob sich und brach sichtlich empört zur
Heimkehr auf. Seitdem hat sich die Menschheit gespalten in die,
welche die Geschichte von Perseus dem Siegreichen lesen und
solche, welche die verschlungenen Eidechsen anbeten.
Die alte Ente
Solch ein Paradigmenwechsel ereignete sich im Westen. Der Osten
feiert den Sieg über den Drachen, während der Westen die
Verschlungenen Eidechsen bejammert. Naive Menschen denken, dass
die Eidechsen-Anbeter von Mitgefühl bewegt sind und versuchen,
diese Erzählung mit Geschichten über ihr eigenes Leiden
nachzuahmen: Die Ukrainer litten unter der Hungersnot der
1930er, die Afrikaner unter der Sklaverei. Aber dann sind sie
enttäuscht, wenn sie entdecken, dass dies keine Flut von
Entschädigungen einbringt.
Sie vergessen, dass jede Geschichtserzählung von Interessen
bewegt wird. Die westlichen Antikommunisten und die
zionistischen Meister des Diskurses sind nicht von Mitgefühl
bewegt, sie fördern eine Leidensgeschichte, wenn es für sie
nützlich ist. Sie propagierten die Geschichte der ukraninischen
Hungersnot, um die Ukrainer gegen die Russen aufzubringen und um
die Sowjetunion auseinanderzubrechen. Sie förderten die
Geschichte vom Holocaust, um unseren Sieg zu verdunkeln. Sie
erfanden die Geschichten über kommunistische Gräueltaten, um den
Kommunismus auszumerzen und um öffentliche Vermögenswerte von
Kalifornien bis Sibirien zu privatisieren.
Eine Zeit lang waren die Märchen über «Rote Gräueltaten»
vergessen, aber sie kamen mit Macht zurück, als die Russen den
Oligarchen die Dauemnschrauben ansetzten und die westlichen
Gesellschaften in der feindlichen Übernahme der russischen
Wirtschaft bremsten. Die verrückten Übertreibungen der Eroberung
wurden wieder zum Leben erweckt, und nach ihnen ermordeten die
Roten mehr Menschen, als jemals in Russland geboren wurden.
Wenn ich ein von Abe Foxman ADL‘s und seiner Sippe sehr
geliebtes jüdisches Klichee gebrauchen darf, so ist es an der
Zeit, die alte Zeitungsente vom «kommunistischen millionenfachen
Morden» zu begraben. Nicht nur, weil sie gebraucht wird, um den
amerikanischen
«Way-of-life-and-death»
voranzubringen, sondern weil sie einfach nicht wahr ist. Diese
wilden, dem Holocaust nachgeäfften Geschichten, wurden nicht nur
von linken russischen Historikern wie
Sergey Kara-Murza
entlarvt, sondern auch von nationalistischen Historikern, die
man nicht pro-kommunistischer Sympathien verdächtigen kann:
Vadim Kozhinov
und
Stanislaw Kunyaev.
Unser ehemaliger Freund
Patrick Buchanan,
den ich sehr für seinen Widerstand gegen den Irakkrieg und den
Zionismus bewunderte, ist jetzt zu seinen
Kalten-Kriegs-Dummheiten zurückgekehrt. Er hat eine weitere
Attacke gegen die
«Roten Russen»
geschrieben:
«Bush berichtete über die schreckliche Wahrheit, was im Zweiten
Weltkrieg östlich der Elbe wirklich triumphierte. Und es war
nicht die Freiheit. Es war Stalin, der abscheulichste Tyrann des
Jahrhunderts. Wo Hitler seine Millionen tötete, töteten Stalin,
Mao, Ho Chi Ming, Pol Pot und Castro zehnmillionenfach.
Leninismus war der Schwarze Tod des 20. Jahrhunderts.»
Nicht mehr, nicht weniger – der Schwarze Tod! In der Tat,
Elie Wiesels
Holocaust-Geschichten sind Sonntagspredigten im Vergleich zu
diesen Tiraden. Kommunisten – Stalin, Mao und Castro – sind für
immer schuldig in den Augen von Buchanans Landsleuten und den
Mammon-Anbeter-Kollegen; aber nicht wegen der angeblichen
Gräueltaten: ihr wirkliches Verbrechen war, dass sie den USA
nicht erlaubten, ihre Länder zu verwüsten. Die
«Roten»
verkauften dem amerikanischen Moloch ihre Güter, materielle
Vermögenswerte, Öl, Gas und Ländereien, nicht.
Ich begann, sowohl den Verstand als auch die Aufrichtigkeit
Buchanans anzuzweifeln. Seinen gesunden Verstand, weil er
behauptet, dass Castro
«zehnmillionenfach mordete»
– auf einer Insel mit einer gesamten Bevölkerung von neun
Millionen und seine Aufrichtigkeit, denn was sind seine
anti-zionistischen Ausfälle wert, wenn er Kuba Meyer Lansky und
seiner Mafia zurückgeben will.
Buchanan ist nicht allein, oh nein. Am 7. Mai 2005 verurteilte
der Londoner
«Economist»
«Russlands Widerwille, die Sünden der Sowjetunion vor, während
und nach dem Krieg zu anerkennen, wie das Massaker von Katyn
1940 an den polnischen Offizieren, die Gräueltaten der Roten
Armee beim Vormarsch auf Berlin oder der
Molotow-Ribbentrop-Pakt, welcher Europa zerschnitt.»
Russland wurde in ungünstiger Weise verglichen mit
«Deutschland, das voll und ganz seine Sünden der Vergangenheit
eingestanden hat und zum Beispiel nächste Woche ein neues
Holocaust-Memorial in Berlin eröffnen wird».
Sollten die Russen den Molotov-Ribbentrop-Pakt zwischen der
UdSSR und Deutschland bereuen? Wohl kaum. Einzig zu bedauern
ist, dass es nicht lange hielt. Der brutale Hitler und der
hinterlistige Churchill waren beide gleich feindlich gegenüber
Russland gesinnt. Churchills Fultoner Rede, in der er Russland
den Kalten Krieg erklärte, kam bevor das letzte russische
Kriegsopfer begraben war. Und diese Feindschaft ist immer noch
stark: Die Tiflis-Rede von Bush ist nichts als eine
Aktualisierung von Fulton.
(Ich habe einen persönlichen Grund, ein leidenschaftlicher
Befürworter des Molotov-Ribbentrop-Pakts zu sein – dieses
Abkommen schickte die Rote Armee nach Galizien und rettete
meinen zukünftigen Vater vor den Einsatzgruppen.)
Sollten die Russen Katyn bereuen? Die Katyn-Geschichte wird
vorgetragen, um die Polen gegen die Russen aufzuhetzen und um
den
«Cordon Sanitaire»
um Russland wiederherzustellen. Unsere Feinde kümmern sich
keinen Pfifferling um die ermordeten Polen. Sonst würden sie
über die Zehntausenden von Polen reden, die ermordert wurden von
den Bandera-Banden, den ultra-nationalistischen West-Ukrainern.
Aber sie halten den Mund, weil die Bandera-Anhänger ihre
Verbündeten im Kampf gegen die Russen sind. In der Tat wurden
nach 1945 diese Hitler-Verbündeten unterstützt, bewaffnet und
trainiert vom CIA und sie überlebten bis in unsere Tage, als sie
die führende Kraft des orangen Putsches im Dezember 2004 wurden.
(Die Stadt Lvov hat ihre Hauptstrasse nach dem Namen dieses
Massenmörders von Polen, Russen und Juden benannt.)
Sollten die Russen
«die Gräueltaten der Roten Armee auf ihrem Vormarsch nach
Berlin»
bereuen? Das Schicksal der deutschen Zivilbevölkerung bewegt die
britischen Heuchler nicht. London pflegt das Andenken an ihren
Luft-Marschall
«Bomber»-Harris
und errichtete vor zehn Jahren sogar eine Bronzestatue, um sein
Andenken zu ehren, obwohl dieser Kriegsverbrecher mehr Menschen
tötete als Dschingis Khan. In den 1920ern griff er Irakis an und
bombardierte sie und später plante er den alliierten Bombenkrieg
gegen die deutschen Städte und führte ihn durch, einschliesslich
der feurigen Hekatombe von Dresden, wo er hunderttausend
deutsche Flüchtlinge in Asche verwandelte. Solange dieser
Massenmörder in England verehrt wird, haben die Russen keinen
Grund, Skrupel zu haben wegen ihres mühseligen Kampfes auf dem
Weg nach Berlin. Sie tragen weder die Schuld für Dresden,
Hiroshima und Auschwitz noch schütteten sie «Agent Orange» über
unschuldige Zivilisten.
Lasst die Entschuldigungen sein
Was Russen nicht brauchen sind Eure Entschuldigungen. Ich sage
Euch, Verwaltern von Holocaust-Gedenkstätten und
«Economist»-Redakteuren,
Herr Conquest und Herr Buchanan, legt Eure Leidenslisten,
Aufforderungen zu Mitleid und Reue weiss ich wohin. Es steht
Bettlern an, über Wunden zu prahlen und Entstellungen zu zeigen,
nicht Kriegern und Philosophen. Genug von diesem Flirt mit Tod
und Leiden… Lasst den Toten ihre Totenruhe. Das schlimmste
Vermächtnis der Juden in diesem jüdischen Jahrhundert ist ihre
Besessenheit mit Tod, Gram, Trauer und Leiden: ihre beiden
heiligsten Stätten in Israel sind die Klagemauer und das
Holocaust-Museum, ihr wichtigster Tag im Jahr ist das Fest der
Busse, es wird gefolgt vom Erinnerungstag an den Gefallenen
Soldaten, vom Holocaust-Tag, dem Erinnerungstag an die
Zerstörung des Tempels undsofort. Das jüdische Lieblings-Genre
ist
«kina»,
Klage. Diese Geisteskrankheit breitet sich über die Welt aus in
einem Paroxysmus
(anfallartige Steigerung, Anm. d. Übers.)
von Selbstmitleid, Schuld und Angst.
Wenn Sie beabsichtigen, dem jüdischen Leid-Diskurs zu folgen,
dann folgen Sie ihm konsequent. Die Juden sind nicht so dumm,
ihre Schuld zu anerkennen und sich zu entschuldigen. Niemand hat
bis jetzt eine Entschuldigung von einem Juden bekommen. Ein Jude
würde so antworten:
«Taten
alle
Juden es?»
Diese fabelhafte Antwort kann genauso gut von uns allen
gebraucht werden, von Russen im Hinblick auf Katyn, von
Deutschen wegen Auschwitz, von den Engländern wegen Dresden und
von den Amis wegen My Lay und Abu Grheib.
Und gehen Sie nicht auf Entschuldigungen aus oder betteln Sie
nicht um Vergebung. Das ist krank. Der vorherige Papst öffnete
die Pforten der Hölle, als er um die Welt reiste und um
Vergebung bat für Taten, die er nicht beging, von der Plünderung
Konstantinopels bis zum Hungertod in Dachau. Wir werden jetzt
täglich gebeten, uns für etwas zu entschuldigen, was wir nicht
taten. Wir sollten das als gute Christen auf den Sonntag der
Fastenzeit verschieben.
Unser polnischer Freund, der Philosoph Marek G. hatte Recht:
«Wenn wir eine gesunde Gesellschaft wollen, müssen wir alte
ethnische Konflikte und andere Wunden in ihr auslöschen anstatt
sie zu entzünden. Um die Einheit des Athener Volkes zu erhalten,
deklarierte die demokratische Regierung dieser Stadt nach einem
blutigen Bürgerkrieg eine ‹Amnesie›: Unter Androhung der
Todesstrafe war es verboten, öffentlich in Erinnerung zu rufen,
wer wen in den vorangegangenen Jahrzehnten getötet hatte. Das
heutige judäaoamerikanische Paradigma hat anders entschieden:
Alle Wunden müssen ständig am Bluten gehalten werden.»
Genug Gejammer! Ich kann kaum mehr Berichte über Palästina
lesen, die von dem guten Mann (und guten Reporter)
Gideon Levy
geschrieben sind, weil seine Geschichte nur eine Geschichte des
Leidens ist. Ja, es gibt das Leiden, aber es gibt auch Mut,
Tapferkeit, gewaltige heroische Taten und zum Schluss Siege, wie
ich es versuchte darzustellen in der Geschichte von
Farris Ode.2
Alte russische Chroniken erzählen uns, dass die
mongolischen Eroberer es liebten, den traurigen Liedern der
Besiegten zuzuhören. Lasst uns die Lieder singen, die unsere
Eroberer hassen werden.
Diese andere Art der Anschauung des Sieges ist nicht ein
Rückfall in irgend einen heidnischen Glauben, so wie Nietzsche
glaubte. Sie ist ein wertvolles Geschenk des Östlichen
Orthodoxen Christentums, dessen Schlüsselbild dasjenige des
triumphierenden
Christus ist. Sie werden keinen leidenden Christus auf einem
östlichen Heiligenbild finden. Wir erinnern uns an Sein Leiden
am Karfreitag, aber ansonsten leben wir unter der strahlenden
Sonne Seiner Auferstehung. Erst nach dem verhängnisvollen
Schisma, der Trennung vom Osten, begann die westliche Kunst mit
Prima Lumi
den gepeinigten Christus darzustellen. Sogar das Schweisstuch
unterscheidet sich: Das westliche Schweisstuch von Veronika
zeigt Christus mit einer Dornenkrone auf der Via Dolorosa, das
östliche Schweisstuch des Königs Abgar von Edessa zeigt Ihn als
Herrscher der Welt. Diese maskuline, siegreiche Christlichkeit
des Ostens fand ihren Ausdruck in der östlichen Vision des
Grossen Sieges.
Diese zwei Paradigmen – des siegreichen Perseus und das der
verschlungenen Eidechsen – treffen in Berlin aufeinander,
repräsentiert von zwei Monumenten. Das eine ist die
sowjetrussische Statue im Treptov-Park, die eines machtvollen,
irgendwie nordischen Soldaten. Seine stolzen Schultern verkünden
seinen Sieg, sein gewaltiger Fuss tritt ein zerbrochenes
Hakenkreuz nieder, ein mächtiges Schwert in einer Hand ist
abgesenkt, ein kleines deutsches Mädchen sitzt auf seinem
anderen Arm, sich an seinen Hals klammernd. Die beiden können
gesehen werden als ein Vater und seine Tochter, eine invertierte
Madonna mit Kind. Dies ist ein christlich-orthodoxes Symbol das
durch die Ikone des Christus, der seine kleine Mutter hält,
bekannt geworden ist.
Der Soldat rettete anscheinend das kleine Mädchen im Kampf – wie
Christus Seine Mutter rettet und wie Perseus Andromeda rettete.
Sowjetrussen empfanden wirklich, dass sie Deutschland und
Europa von einem bösen Geist errettet hatten und verursachten
nie Schuldgefühle in den Ostdeutschen. Deswegen sind Ostdeutsche
maskuliner und weniger gebrochen als ihre westdeutschen Brüder.
Die Statue wurde gegossen von Eugen Wutetschitsch, dem grossen
sowjetischen Gegenspieler des besten zeitgenössischen deutschen
Bildhauers, Arno Breker. In deutschen Augen wirkt dieser Soldat
weder ethnisch noch ästhetisch fremd. Er könnte auch von Breker
geschaffen worden sein, der viele schöne und noble Krieger
schuf, wenngleich mit einem Schuss hellenischer Homoerotik.
Wutetschitsch und Breker verkörpern die ästhetischen und
moralischen Ideale, sogar den Geist der sowjetischen und der
nationalsozialistischen Gesellschaften. Trotz so vieler
Unterschiede, waren sie vereint in der nordischen und
hellenischen Männlichkeit, in der Ungestümheit der Helden der
Ilias, die
Simone Weil
so bewunderte.
Ein russischer Kunshistoriker bemerkte, dass die
«brutale und heroische Energie von Wutetschitschs Statuen dem
Geist der deutschen Plastiken des Dritten Reiches nah ist.»
Eine solche Staue beleidigt die Deutschen nicht – es ist keine
Schande, von einem besseren Krieger geschlagen worden zu sein.
Die Russen und die Deutschen fochten mutig einen harten Krieg,
der Millionen von Soldaten und Zivilisten das Leben kostete.
Ihre Anstrengungen und ihre Verluste stellten diejenigen der
anderen Teilnehmer des Krieges in den Schatten. Ihr Krieg war
ein Kampf der Titanen, von nordischen Asen, von zwei starken
Helden, und der beste gewann, alles Lob dem Helden.
(Ich verachte diejenigen, die deren gemeinsame Mannhaftigkeit
als «Totalitarismus» bezeichnen.)
(Rechts – Der Soldat mit einem Mädchen, Wutetschitsch; Links –
Bereitschaft, Breker)
Aber
Ecclesiastes
sagt, dass auf Dauer der Beste nicht gewinnt. Die maskulinen,
heroischen Ideologien schwinden dahin, da wir heute unter einer
Ideologie leben, die ihren ästhetischen und moralischen Ausdruck
in einem anderen Stück Gedenkstätten-Kunst in Berlin fand und
die ein sich friedhofähnlich ausbreitendes Feld von Steinplatten
in der Nähe des Brandenburger Tores schuf, genannt das
Holocaust-Denkmal. Diese ästhetisch hässliche, konzeptmässig
herabsetzende, aufdringliche und beleidigende Installation wurde
errichtet von ihrer neuen Besetzungsmacht.
Unsere Gegner behaupten, dass der Holocaust eine wahre
Angelegenheit ist und einige Revisionisten streiten über die
Fakten: ob die Gaskammern existierten oder nicht. Aber für die
Linke ist dies nicht eine Frage der Fakten, sondern der
dominierenden Erzählweise. Sogar wenn alle Tatsachen, wie
behauptet, wahr wären, sollten wir die Erzählung ablehnen und
ihre Wichtigkeit bestreiten. Ein wichtiger holländischer
Linksaussen-Denker,
Paul Treanor,
schrieb in einem Essay mit dem Namen
«Warum den Holocaust vergessen»:
«Der Holocaust war der hauptsächlichste historische Bezug, der
gebraucht wurde, um ein militärisches Eingreifen der USA und
ihrer Allierten3 zu rechtfertigen. Indirekt wird er
auch benutzt, um soziale Ungerechtigkeit in liberalen
Demokratien zu legitimieren und einem Machtmonopol einen
liberal-demokratische Anspruch zu geben. Er wird benutzt, um
globale Ungleichheit zu legitimieren, als ob der Gegner des
Holocaust zu Wohlstand berechtigen würde, während andere
hungern. Die Erinnerung an den Holocaust ist kein moralischer
Imperativ, die Erinnerung dient keinen guten, sonden nur üblen
Zwecken. Die Erinnerung an den Holocaust ist zu einem Instrument
der Rechten geworden. Der Holocaust sollte öffentlich vergessen
werden in dem gleichen Sinne, wie an ihn heute öffentlich
erinnert wird.»
Europa kann immer noch wählen zwischen den zwei zwei
Erzählweisen des Zweiten Weltkrieges, die eine, die der
maskulinen Errettung, ausgedrückt durch den russischen Soldaten
mit dem deutschen Mädchen oder die der Entmannung, Steinplatten
von Schuld auf Eurer Seele stapelnd. Im Grunde genommen ist es
die Wahl von Andromeda, entweder sich an ihren Retter Perseus zu
erinnern, oder die Eidechsen zu betrauern.
Epilog
Aber die Geschichte der Eidechsen endete nicht hier. Douglas
Adam
(Per Anhalter durch die Galaxis)
erzählt in seinem Bericht von der Zukunft mit dem Titel
«Auf Wiedersehen und danke für den Fisch»,
was später passierte.
Ein Raumschiff, eine fliegende Untertasse landete auf der Erde
und ihm entstieg ein hundert Meter grosser silberner Roboter und
sagte: «Ich komme in Frieden», und nach einer langen Weile des
Mahlens fügte er hinzu:
«Bringt mich zu euren Eidechsen».
Ein erfahrener Ausserirdischer, Ford, erklärte dieses seltsame
Anliegen:
«Ihr seht, der Roboter kommt von einer sehr alten Demokratie».
«Du meinst, er kommt von einer Eidechsen-Welt?»
«Nein»,
sagte Ford,
«Nichts so Einfaches. Auf seiner Welt sind die Menschen
Menschen. Die Führer sind Eidechsen. Die Menschen hassen die
Eidechsen und die Eidechsen regieren über die Menschen.»
«Ich dachte du sagtest, es war eine Demokratie.»
«Stimmt»,
sagte Ford,
«das ist es.»
«Du meinst, sie stimmten tatsächlich für die Eidechsen?»
«Oh ja»,
sagte Ford.
«Natürlich!»
«Warum?»
«Weil, wenn sie nicht für eine Eidechse stimmten»,
sagte Ford,
«könnte die falsche Eidechse zum Zuge gekommen. Manche Leute
sagen, dass die Eidechsen das Beste war, was ihnen jemals
passierte. Sie liegen natürlich vollkommen falsch, aber jemand
muss es schliesslich sagen.»
Scheinbar sind die Eidechsen von Jaffa irgendwohin umgezogen und
haben für sich frischen Nachschub an leichtgläubigen Menschen
gefunden.
Übersetzung: Friederike Beck/Klaus Fischer
1) Prince Charming
http://www.israelshamir.net/English/Prince_Charming.htm
2) Return of the Knight
http://www.israelshamir.net/English/Return_Knight.htm
auf Deutsch in:
Israel Shamir, Blumen aus Galiläa ISBN 3-85371-231-2
3) z.B. die Bomardierung Serbiens, «um einen neuen
Holocaust zu verhindern,» wie Joschka Fischer mehrmals betonte
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