(The
Failed Test)
(Mein allererstes Essay in englischer Sprache: es wurde im
Januar 2001 im Internet veröffentlicht und erschien auf
hunderten von Webseiten und in mehreren Sprachen. Es wurde von
vielen Lesern als rhethorische Arbeit missverstanden, doch für
mich war es eine schmerzvolle Erkenntnis: der traditionelle
jüdische Diskurs basierte auf einer Lüge.)
I
Unter den
farbenfrohen Nachtschwärmern auf der Allenby Strasse in einem
überfüllten Restaurant in einer fröhlichen Nacht in Tel Aviv,
hatte ich eine Vision, die Vision eines Engels in einem
Kampfanzug, der drei Worte an eine Mauer schrieb: „Mene,
Tekel Ufarsin“. Mein englisches Wörterbuch gab mir die
Bedeutung: „Ihr wurdet einem Test unterzogen und seid
durchgefallen“.
Dies sind
schwarze Tage für die Einwohner Israels. Sie sind schwarz, denn
unsere Beschwerden und Proteste gegen Ungerechtigkeit, sowie die
unserer Väter, haben sich als ungefähr so authentisch erwiesen
wie ein Drei Dollar Schein.
1968, als
ich ein ein kleiner jüdisch-russischer Junge war, kritzelte ich
„Lasst die Finger von der Tschechoslowakei“ auf die Mauern
meiner russischen Geburtsstadt. Die wunderschöne tiefe Stimme
des jüdisch-russischen Dichters Alexander Galitch hallte noch in
meinen Ohren wieder: „Bürger! Unser Mutterland ist in Gefahr,
unsere Panzer befinden sich auf fremdem Boden!“ Einige russische
Juden demonstrierten auf dem Roten Platz gegen die Invasion und
wurden von der Polizei verprügelt. Wir protestierten gegen die
russischen Panzer in Budapest und Prag und Kabul als russische
Bürger, die Ehre über Loyalität und Menschheit über
Verwandtschaft stellten. Zur gleichen Zeit demonstrierten
jüdisch-amerikanische Kinder gegen das Einschreiten ihres Landes
in Vietnam und jüdische Jungen und Mädchen in Europa kämpften
gegen den Rassismus. Die Jahre vergingen und heute befinden sich
unsere jüdischen Panzer auf fremdem Boden.
Unsere
jüdische Armee ermordet Zivilisten, zerstört Häuser und belagert
Hunger leidende Dörfer. Unsere Verbrechen sind gleichzusetzen
mit denen der Russen in Tschetschenien und Afghanistan und denen
der Amerikaner in Vietnam. Sicherlich demonstrieren israelische
Intellektuelle en masse auf unserem Äquivalent der
Pennsylvania Avenue oder des Trafalgar Square und amerikanische
Juden erheben ihre Stimme gegen die mit amerikanischen Waffen
ausgestatteten Mörder der Palästinenser und sicherlich werden
die russischen Juden sich einsetzen für die Menschenrechte der
versklavten Nichtjuden im Heiligen Land? Keine Angst! Unsere
Schriftsteller sind damit beschäftigt, den Mut unserer jüdischen
Soldaten und die zuverlässige Hand unserer jüdischen
Heckenschützen in höchsten Tönen zu loben und die unglaubliche
Menschlichkeit der Juden zu verherrlichen, die alle Nichtjuden
von Palästina pulverisieren könnten, sich aber doch auf ein paar
Dutzend Verwundete und Verstümmelte pro Tag beschränken.
Mein
Grossvater schimpfte auf die Einschränkung der Bewegungsfreiheit
der Bewohner der Schtetl im russischen Imperium. In
unserer Generation wurde Anatoly Sharansky zu einem Symbol des
Kampfes für Menschenrechte. In unserem eigenen Land sind jedoch
die Nichtjuden in Reservate und Konzentrationslager eingesperrt,
gegen die das Schtetl blass wirkt.
Ein
Palästinenser kann nicht in das nächstgelegene Dorf gehen ohne
den jüdischen Ausweis, er wird ständig von unseren
Überprüfern überprüft. Er kann nur davon träumen, einmal die
Gischt des Meeres an die Küste des Landes seiner Vorfahren
spritzen zu sehen - wir lassen Palästinenser nicht die jüdische
Reinheit unserer Strände verschmutzen.
Über Jahre
hinweg protestierten Juden gegen die Diskriminierung bei der
Arbeitssuche und bei der Ausbildung. In unserem jüdischen Staat
jedoch haben wir ein System der totalen staatlichen
Diskriminierung geschaffen. In unserem staatlichen
Elektrizitätswerk arbeiten unter dreizehntausend Angestellten
nur sechs Nichtjuden (0,05%).
Nichtjuden
stellen vierzig Prozent der Bevölkerung zwischen dem Jordan und
dem Mittelmeer dar, doch nur einer von vieren hat das Wahlrecht.
Es gibt keine Nichtjuden im israelischen Höchsten Gerichtshof,
in der Luftwaffe, in den Geheimdiensten. Es gibt nicht einmal
einen einzigen Nichtjuden im Ausschuss der grossen israelischen
und - ach so liberalen - Zeitung Haaretz.
II
Angesichts
der Ereignisse müssen die Beschwerden der Juden in der Diaspora
neu begutachtet werden. Wir haben uns nicht wirklich für die
Menschenrechte eingesetzt, sondern für die Rechte der Juden. Wir
kämpften für die Bewegungsfreiheit und die freie Wahl - doch nur
für die der Juden. Wir sprachen vom universellen Wahlrecht, doch
wir meinten damit das Wahlrecht für die Juden. Wir kümmern uns
nicht um Invasionen und Besetzungen, so lange wir es sind, die
einfallen und besetzen.
Das Bild
eines Kindes, das die Hände in die Luft hält vor einem mit einem
Maschinengewehr bewaffneten Schläger, bekümmert uns nur, wenn es
sich um ein jüdisches Kind handelt. Das nichtjüdische Kind kann
ungestraft erschossen werden. Anscheinend meinte der jüdische
Dichter Bialik als er schrieb „Der Teufel hat kein angemessenes
Strafmass für den Mord an einem Kind erfunden“ eigentlich
gemeint „für den Mord an einem jüdischen Kind“. Als die Bilder
der Pogrome ihn entsetzte, war er entsetzt über die Gewalt
gegenüber Juden. Ansonsten ist gegen Pogrome per se
nichts auszusetzen. Vor einigen Wochen strengten die Juden aus
dem Oberen Teil Nazareths ein Pogrom gegen die Nichtjuden aus
Nazareth selbst an, doch kein Pogromchik wurde dafür
bestraft. Die israelische Polizei half noch etwas mit und
ermordete ein paar der Opfer des Pogroms. Was noch schlimmer
ist, die Pogrome von Ramallah und Beth Jallah wurden sogar mit
Hilfe von bewaffneten Helikoptern und Panzern durchgeführt.
Das
Russland der Zaren, „das Imperium der Pogrome“, war schwer
verhasst bei unseren Grossvätern und sie zerstörten es letzten
Endes. Dennoch verursachten alle jüdischen Pogrome im 19.
Jahrhundert in Russland weniger menschliche Verluste als unsere
Pogrome, bei denen mehr Menschen in wenigen Wochen umkommen.
Beim furchtbarsten Pogrom in Kishinev kamen fünfundvierzig
Menschen ums Leben und sechshundert wurden verwundet. In den
letzten drei Monaten kamen vierhundert Palästinenser ums Leben
und man zählte tausende Verwundete. Nach einem Pogrom im
zaristischen Russland verdammten alle russischen Schriftsteller
und die geistige Elite die Täter. Im jüdischen Staat versammeln
sich kaum ein paar Dutzend Demonstranten in Tel Aviv während die
Union der hebräischen Schriftsteller das Pogrom gegen die
Nichtjuden unterstützt.
1991 lehnte
sich die Mehrheit der russischen Juden gegen den Kommunismus auf
und hisste die Fahne des Privatbesitzes. Anscheinend meinten sie
damit den jüdischen Privatbesitz, da wir ja den Besitz von
Nichtjuden ohne Gewissenskonflikte konfiszieren.
Machen Sie
einmal einen Spaziergang durch die besten Gebiete Jerusalems,
durch Talbieh, Alt Katamon mit griechischen und deutschen
Kolonien und bewundern Sie die wundervollen Paläste. Sie
gehörten einst Nichtjuden - Deutschen, Armeniern, Griechen,
Briten, Russen und Palästinensern - Christen und Moslems. Alle
diese Paläste wurden beschlagnahmt und Juden zugeteilt. Allein
in den letzten paar Wochen wurden hunderte Morgen nichtjüdischen
Besitzes konfisziert und zahlreiche Häuser von Nichtjuden
beschlagnahmt oder zerstört.
Kurz vor
seiner Verhaftung kam der russisch-jüdische Medienbaron Gusinsky
nach Israel und sicherte dem jüdischen Staat seine
leidenschaftliche Unterstützung zu. Zur selben Zeit verlangte
er, dass der Westen ihm bei seinem Kampf mit den russischen
Behörden beistehen möge, die seine Fernsehgesellschaft
beschlagnahmt hatten. Seine Unterstützung Israels beweist, dass
Herr Gusinsky nichts gegen Beschlagnahmung hat, nur gegen die
jüdischen Besitzes. Er ist gegen die Verhaftung von Juden, die
Nichtjuden können ruhig auf ewig in den Gefängnissen des
jüdischen Staates verrotten.
Innerhalb
kürzester Zeit haben wir es geschafft, die früheren
Errungenschaften von Juden im Kampf um Demokratie,
Menschenrechte und Gleichheit zu unterminieren. Was war es
genau, das wir an den deutschen Nazis verabscheuten? Ihren
Rassismus? Unser eigener Rassismus ist genauso weitverbreitet
und potentiell genauso bösartig. Die russischsprachige Zeitung
Direct Speech, die in Jerusalem herausgegeben wird,
befragte hunderte von russischen Juden über ihre Gefühle
gegenüber den Palästinensern. Typische Antworten waren: „Ich
würde alle Araber umbringen“, „Alle Araber sollten eliminiert
werden“, „Die Araber müssen vertrieben werden“ und „Ein Araber
bleibt ein Araber. Sie müssen alle eliminiert werden“. Ich bin
nicht sicher, ob eine Strassenumfrage im Berlin 1938 ein
niederschmetternderes Ergebnis erbracht hätte, da der Nazi
Gedanke der Endlösung erst 1941 aufkam.
III
Anscheinend
bekämpften wir Juden den Rassismus solange es sich um den der
anderen handelte. Wir waren gegen Todeskommandos und das
Sonderkommando solange sie sich gegen uns richteten. Unsere
eigenen Killer, unser jüdisches Sonderkommando, werden von uns
zärtlich bewundert.
Der
jüdische Staat ist der einzige Ort auf der Welt, an dem es
offizielle Todeskommandos gibt, die die Politik der Ermordung
und mittelalterliche Folter praktizieren. Kein Grund zur Sorge,
meine liebe jüdischen Leser, wir foltern und töten bloss
Nichtjuden.
Wir waren
gegen Ghettos, als wir selbst in einem Ghetto eingesperrt waren.
Nun ruft der liberalste israelische Friedensplan nach der
Schaffung einiger nichtjüdischer Ghettos, umgeben von
Stacheldraht, jüdischen Panzern und jüdischen Fabriken, in denen
die Arbeit die Nichtjuden frei macht. Wir werden
den Ghettos ihre Unabhängigkeit geben, doch nicht bevor wir
ihnen jegliches Einkommen und jegliche Möglichkeit der
Selbserhaltung genommen haben.
Die
Israelis werden vom Kindergarten an einer Gehirnwäsche
unterzogen; ihnen wird beigebracht, dass sie Teil des
Auserwählten Volkes sind, das über allem anderen steht. Sie
werden mit dem Glauben indoktriniert, dass die Nichtjuden nicht
ganz menschlich sind und daher getötet und nach Belieben
enteignet werden können. Schliesslich hat Israel zumindest eine
UNO Resolution erfüllt: diejenige, die den Zionismus als eine
Form des Rassismus bezeichnet.
Was mich
stört ist, dass die international ausgerichtete Erziehung, die
wir russischen Juden in der Sowjetunion erfahren haben, nicht
der Vergiftung durch die zionistische Propaganda mit dem
jüdischen Überlegenheitsgedanken widerstehen konnte. Was ich am
meisten bedauere, ist der moralische Zusammenbruch meiner
eigenen russischen Gemeinde im Heiligen Land.
Der Engel
schrieb seine feurigen Worte, Propheten riefen die Menschen zur
Busse auf und wir haben immer noch die Wahl. Wir können den Weg
der Nineveh wählen und Busse tun, die gestohlenen Besitztümer
zurückerstatten, den Nichtjuden den vollen Gleichheitsstatus
zuerkennen, die Diskriminierung und das Morden beenden und auf
die Barmherzigkeit Gottes hoffen, wenn schon nicht um
unseretwillen, dann für unsere Hunde und Katzen. Oder wir können
weitermachen auf dem Weg des Übels, wie die Bewohner Sodoms und
auf die feurige Flut und den brennenden Schwefel warten, der aus
dem zornigen Himmel über Palästina auf uns herabregnen wird.
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