(A Tale of
Two States)
(Dies
wurde im Januar 2001 geschrieben als Antwort auf einen Artikel
des israelischen Friedensaktivisten Uri Avneri. Es ist die Basis
der Anti-Apartheid Bewegung, die sich von der traditionellen
Forderung nach der Beendigung der Besetzung unterscheidet. Einer
der Gründe für die Entstehung dieser Bewegung war das Scheitern
der traditionellen Annäherungsweise an das
jüdisch-palästinensische Problem.)
Einige
Wochen vor Ausbruch der zweiten palästinensischen Intifada
ging ich über den Cinemateque Platz, ein Wohngebiet der
Mittelklasse in Tel Aviv. Ein paar Dutzend Rentner mit ihren
Familien waren in der kühlen Brise am späten Nachmittag
zusammengekommen. Die alten Damen strickten, während die Kinder
auf grossen Papierbögen Flaggen zeichneten. Diese friedliche
Zusammenkunft, organisiert vom israelischen Friedenslager, war
der Erinnerung an den siebten Jahrestag des Osloer Abkommens
gewidmet. Der Hauptredner war Uri Avneri.
Dieser
gutaussehende Mann mit seinem edlen Gesicht von weissem Haar
umrahmt, beschwor, wie er es immer tut, seine Vision von zwei
co-existierenden Staaten im Heiligen Land herauf, ein
unabhängiges Palästina und ein jüdischer Staat. Jedes Wort klang
richtig, doch die Rede war so aufregend wie die gestrigen
Nachrichten, so unterhaltsam wie die Wiederholung einer alten
Fernsehserie. Es war daher nicht sehr überraschend, dass keine
jungen Aktivisten anwesend waren, da das traditionelle
Friedenslager kein frisches, dynamisches Blut mehr anzieht. Herr
Avneri wird dieselbe, müde Rede über das Internet schicken in
diesen Tagen, in der er nach der Zwei-Staaten Lösung verlangt.
Bitte
missverstehen Sie mich nicht. Uri Avneri ist ein Mann mit guten
Absichten, ein mutiger Unterstützer der palästinensischen
Rechte, ein Aktivist, der mehr als nötig tut und ein effizienter
Organisator. Nur ist seine politische Agenda mausetot.
Lassen Sie
uns die knallharten Tatsachen vor Ort besehen: der Gedanke an
zwei Staaten in Palästina ist, und war immer schon, ein Bluff.
Nach einer Teilung von nur neunzehn Jahren war Palästina
dreiunddreissig Jahre lang vereint. Kein Israeli oder
Palästinenser unter vierzig Jahren erinnert sich mehr an die
„Teilungsjahre“ zwischen 1948 und 1967. Es ist eine
Zeitabschnitt, an den sich Herr Avneri klammert wie an eine Art
verlorenes Paradies. Kein israelischer Politiker, den kürzlich
beweinten Herrn Rabin inbegriffen, hat jemals ernsthaft in
Betracht gezogen, irgendeinen Teil des historischen Palästina
aufzugeben. Die endlosen Verhandlungen waren nur eine
Nebenattraktion, dazu bestimmt, die Öffentlichkeit zu
besänftigen. Vor dreissig Jahren versicherte uns der israelische
Sänger Arik Einstein, dass „die Gespräche bald wieder
aufgenommen werden“. Und sie singen immer noch dasselbe alte
Lied.
In der
Zwischenzeit haben die abgebrühten israelischen Anführer hinter
dem Nebelschleier der „temporären militärischen Besetzung“ die
palästinensischen Felder und Häuser beschlagnahmt, um Platz für
jüdische Siedlungen zu schaffen und tausende Palästinenser
eingesperrt und umgebracht. Eine Abfolge von linken und rechten
israelischen Regimen erhält diese Dichtung aufrecht, um der
eroberten Bevölkerung ihre Bürgerrechte vorzuenthalten. Es war
eine brilliante Idee, des jüdischen Genies würdig: die
Verhandlungen bis in alle Ewigkeit fortzusetzen, während man ein
Lippenbekenntnis zu der Idee an zwei Staaten ablegt.
Meine
Ehrlichkeit zwingt mich dazu, meinen palästinensischen und
israelischen Freunden folgendes mitzuteilen: man hat Euch
hereingelegt. Unsere weisen Männer spielten mit Euch ein
grausames Spiel und lockten Euch mit leeren Versprechungen wie
der schalen alten „Geschichte zweier Staaten“, die Herr Avneri
erzählt. Es gab immer nur zwei Wege aus der Leibeigenschaft für
die Palästinenser. Einer ist, Israel zu schlagen und der andere,
sich Israel anzuschliessen. Die dritte Option einer neuerlichen
Teilung ist nur eine Illusion: eine saftige, doch unerreichbare
Karrotte, die vor der Nase des Esels baumelt.
Wäre ich
ein Anhänger von Verschwörungstheorien, so könnte ich mir gut
vorstellen, dass diese guten Menschen der israelischen
Friedensbewegung absichtlich diese Säule zur Unterstützung
unseres wackeligen Apartheidsystems hinzugefügt haben. Indem sie
ständig die Grüne Linie [aus dem alten
Waffenstillstandsabkommen] nachmalten, haben sie dem
Nicht-Bürgerstatus der Palästinenser in ihrem eigenen Land noch
den Rücken gestärkt. Indem sie einige Gebiete als „besetzte
Gebiete“ bezeichneten, haben sie sich selbst vom Kampf gegen den
Ausschluss der Palästinenser aus dem politischen Leben des
Landes freigestellt. Indem sie die Annexion der Territorien
bekämpfen, haben sie dabei geholfen, den Betrug der unabhängigen
palästinensischen Bantustans auszuhecken.
Doch der
Gedanke an so eine Verschwörung ist zu überwältigend. Ich glaube
nicht, dass Herr Avneri und das Friedenslager von den Büros der
Shabak (israelischer innerer Sicherheitsdienst) gebrieft
worden sind. Sie wollten einfach nur zu gerne glauben, dass die
israelischen Generäle einen fairen Frieden mit den
Palästinensern schliessen würden.
Sogar ein
Kind, das James Bond Filme ansieht, versteht irgendwann, dass
der Held nicht von Krokodilen aufgefressen wird oder in den
Flammen umkommt und dass es keinen Grund dafür gibt, dass sich
solche Eventualitäten ereignen werden. Es gibt noch weniger
Grund zu erwarten, dass eine israelische Regierung mit den
Palästinensern Frieden schliesst. Sie werden immer ein
Schlupfloch aus dem „Friedensprozess“ finden.
II
Welche Art
von „Frieden“ könnte Israel genau anbieten? In einem Artikel
veröffentlicht in dem beliebten Erhalter des zionistischen
Glaubens, der New York Times, empfahl ein guter
amerikanischer Jude namens Richard Bernstein dem auserwählten
Präsident Bush ein kürzlich erschienenes Buch von einem weiteren
Experten derselben Gattung, Robert Kaplan. Er enthüllte den
wahren israelischen Friedensplan.
Über
Jahrzehnte hinweg erzählte man, dass es entweder ein Gross
Israel oder einen palästinensischen Staat geben würde.
Anscheinend wird es nun beides geben: einen palästinensischen
Mini - Staat, der keine Kontrolle über seinen Luftraum und seine
Hauptverkehrsadern hat und der sich in einem dynamischen Israel
befindet, das weiterhin ausländische Arbeiter anzieht und zur
stabilisierenden Kraft von Gross Syrien wird.
Vielen Dank
netter Bernstein und lieber Kaplan, dass Ihr uns darüber
aufgeklärt habt, dass Israel und seine
amerikanisch-zionistischen Verbündeten planen, die Palästinenser
für immer in Reservate einzusperren und sie gegenüber ihren
Brüdern aus Jordanien und Syrien in eine Konkurrenzsituation um
Arbeitsplätze von ihren jüdischen Herren zu stellen. Das ist
also der Frieden, den die israelischen Friedenstauben verbreiten
wollen.
Sollte dies
funktionieren würden vielleicht die USA dieselbe Idee aufgreifen
und der Afro-hispanischen US Bevölkerung die Unabhängigkeit
zugestehen mit der Hauptstadt in den Süd Bronx. Der neue Staat
könnte aus fünfhundert Enklaven bestehen, eingekreist von
riesigen Highways und umgrenzt von meilenlangen Betonmauern und
könnte alle amerikanischen Nichtweissen aufnehmen. Wenn das
Frieden sein soll, dann wähle ich lieber Krieg.
Je mehr ich
darüber nachdenke, desto weniger bin ich dazu geneigt, dem
Friedenslager die günstige Auslegung ihrer Absichten
zuzugestehen. Zu oft benutzen sie den nervtötenden Ausdruck „der
jüdische Staat“. Und man kann leicht verstehen warum: Der
Zionismus wurde gross in den Jahren des barbarischen
biologischen Rassismus, der Teil der Ideologien war, die
Weininger, Nordau, Chamberlain und Hitler unterstützten. Die
Zionisten glauben, dass eine Person durch ihre
Blutszugehörigkeit zu einer Nation zählt. Für sie wird ein Jude
immer ein Jude bleiben, daher die Auffassung „zwei Staaten für
zwei Nationen“. Bei der Friedensbewegung geht es zuallererst
immer noch darum den „jüdischen Staat“ zu erhalten. Der zweite
dieser Staaten, das Überbleibsel von Palästina, ist nur ein
zufälliges Abfallprodukt des Prozesses.
III
Ein Staat
„mit zwei Nationen“ ist auch eine falsche Benennung. Es gibt
keine zwei Nationen, Juden und Araber, wie man uns glauben
machen will. Es gibt eher eine Reihe von unterschiedlichen
Gemeinschaften: die Marokkaner von Ramle, die Russen aus Ashdod,
die Software Genies aus Hertzliya Pituah, die Millionäre aus
Caesarea, die Siedler von Tapuah, die Gelehrten von Mea Shearim,
die Äthiopier aus Ophakim. Diese, und die nicht weniger bunt
gemischten Gemeinden der einheimischen Palästinenser, könnten
sich gemeinsam zu einem wunderschönen Mosaik des Heiligen Landes
zusammenfügen. Nur in der Fantasie des zionistischen
Establishments, der Siedler von vor 1948 und deren alternder
Kinder bilden diese Gemeinschaften zwei unterschiedliche
Nationen. Dieses „Erste Israel“ hat guten Grund dazu, sich an
diese fantastischen Höhenflüge zu klammern, da diese Minderheit
immer noch das Machtmonopol über die anderen Gemeinden und ihre
Privilegien nicht aufgeben will.
Kein
Aussenseiter hat es jemals geschafft, auch nur in die Nähe des
Machtzentrums zu gelangen. Kaum ein Russe (20% der Wählerschaft)
oder Marokkaner (30%) befindet sich in einer unabhängigen
Machtposition oder verfügt über Einfluss in Israel. Sobald ein
orientalischer Jude die zeremonielle Position des Präsidenten
innehatte, befand sich das „Erste Israel“ in Trauer.
Nur leider
mangelt es heutzutage der dominierenden Elite an Talent und
Ideen. Sie hat die Exklusivität auf die Spitze getrieben und den
Respekt vor dem Militär in Götzenanbetung verwandelt. Die Farce
um General Scharon, der mit General Barak um Macht ringt und der
ehemalige Mörder von Kana, Shimon Peres, als grosse weisse
Hoffnung, sind sicher ein angemessener Beweis für das Versagen
des „Ersten Israel“. Der zionistische Gedanke ist
zusammengebrochen, nur Blut und Krieg erhalten den Golem am
Leben.
IV
Hinter dem
Dunst aus rassistischen Wirklichkeiten und Illusionen leben wir
bereits in einem vereinten Palästina. Die grüne Linie existiert
nur in unseren Köpfen, und das Meer der Apartheid wogt zu ihren
beiden Seiten. Es liegt in unserer aller Interesse die Fiktion
völlig abzuschaffen und Gleichheit vor dem Gesetz für alle in
Palästina (Israel) zu etablieren, vom Jordan bis zum Mittelmeer.
Dann können wir uns an einer einheitlichen Gesetzgebung
erfreuen, gütlig sowohl für den eingeborenen Sohn des Landes,
als auch für den Neuzugänger, wie es uns die Bibel vorschreibt:
dasselbe Gesetz für den Kibbutznik aus Afikim und für den Bauern
aus Yatta.
Dies hätte
schon vor Jahren geschehen können, hätte die israelische Linke
nicht die Teilungsillusion gehegt. Jerusalem ist ein gutes
Beispiel dafür. Die palästinensische Bevölkerung der Stadt, die
ein Drittel des Vereinigten Jerusalem ausmacht, hat das Recht,
an den Stadtwahlen teilzunehmen und kann ihre Abgeordneten für
den Stadtrat stellen. Doch sie nahmen den dummen Rat des
israelischen Friedenslagers an und boykottierten die Wahlen, um
die grüne Linie aufrechtzuerhalten. Dies war eine vernichtende
Entscheidung, die sie nochmals überdenken sollten. Israel könnte
keine Häuser in Jerusalem zerstören; die Palästinenser aus
Ostjerusalem würden besser leben, wenn sie an den Wahlen
teilgenommen hätten. Ihre Stimmen würden uns von Ehud Olmert,
dem rassistischen und allein von Juden gewählten „Bürgermeister“
von Jerusalem befreien - es wäre wirklich alles andere als
schade um ihn. Nur zu diesem Zweck allein schon sollten wir die
Palästinenser um ihre Stimmabgabe bitten.
Ohne die
grüne Linie wären die Gräuel der Besetzung schon seit langem
beendet, in derselben Weise wie die Militärherrschaft im
palästinensischen Galiläa im Jahre 1966 endete. Die 40% von
Palästinensern gewählten Mitglieder der Knesset hätten alle
diskriminierenden Gesetze abschaffen können, inklusive des
Gesetzes über Besitztümer in Abwesenheit der Besitzer und des
aktuellen Bürgerrechtsgesetzes.
In einem
repräsentativen Staat muss die Rückkehr der palästinensischen
Flüchtlinge nicht traumatisierend sein. Falls die Flüchtlinge
aus Deheishe nach Sataf und Suba zurückkehren, wäre das nur eine
Umsiedlungsstrecke von 10 Meilen für sie. Falls die Bauern aus
Deir Yassin wieder in die Häuser ihrer Vorfahren zurückkehrten,
würde niemand darunter leiden. Die Bauern von Sheich Munis
werden eine deftige Entschädigung erhalten müssen, da auf ihrem
Land die Universität von Tel Aviv gebaut wurde. Vielleicht
werden sie ihre Entschädigung dafür benutzen, neue Häuser neben
der Universität zu bauen oder einfach nur Wohnungen in Ramat
Aviv Gimel dafür kaufen. Wir können uns eine Scheibe vom
polnischen Gesetz abschneiden: Polen erstattete den Besitz der
jüdischen Flüchtlinge zurück, doch verhinderte die Vertreibung
der aktuellen Bewohner.
Die
Aufhebung der grünen Linie wäre für uns alle gut, sogar für die
Siedler. Sie sollten weiterhin in Sicherheit wie Gleichgestellte
in unserem Commonwealth leben können. Ohne die
Unterstützung ihrer Überlegenheit durch die Armee müssen sie
entweder mit ihren üblen Taten aufhören und gute Nachbarn werden
oder nach Brooklyn zurückgehen.
Wie kommen
wir nun ins Gelobte Land? Wir sind schon da! Das historische
Palästina ist vereint, doch die Apartheid ist noch nicht
aufgelöst. Wir haben bereits einen Staat, doch wir haben keine
Demokratie. Beendet die leere Rhetorik um die Besetzung und zwei
Staaten. Wir brauchen keine Tricks, keine „kreativen Lösungen“,
nur das gute alte allgemeine Wahlrecht, das „ein Mann, eine
Stimme“ Prinzip. Wir haben danach für unsere Grossväter in
Osteuropa verlangt. Sie haben es von den Nichtjuden vor
einhundertfünfzig Jahren erhalten; die rechte Zeit ist nun
gekommen, dieses grundlegendste aller Rechte auch den
palästinensischen Einheimischen dieses Landes zuzugestehen.
Die Träume
von einem Rückzug der Israelis werden sowieso bloss Träume
bleiben: das israelische Establishment wird seine Besitztümer
niemals aufgben. Doch wir können diese Gier auch zu unserem
Vorteil nutzen. Wenn Israel nicht loslassen kann, dann sollen
sie sich doch bedienen - und dadurch ihre Überlegenheitsposition
verlieren.
Es ist
sinnlos, dem ertrinkenden Geldverleiher zuzurufen „Gib mir Deine
Hand!“ Er kann nicht geben. Rufen Sie stattdessen jedoch „Nimm
meine Hand!“ wird er fest zupacken.
Dies ist
der Rat eines weisen Sufi, Haji Nasr ad-Din. Wir sollten sagen
„Annektiert ruhig die Territorien, doch gesteht den
Palästinensern völlige Geichberechtigung zu“. Das bedeutet
nicht, dass der Kampf gegen die Militärbesetzung falsch ist.
Ganz im Gegenteil, der Besetzungszustand ist falsch, genau wie
die Militärherrschaft in Nazareth und Akkon von 1948 - 1966
falsch war. Doch der Ausweg aus dieser Situation ist nicht die
Teilung, sondern Verschmelzung und Gleichberechtigung.
Im Jahre
1948 sah sich Sir John Glubb, der britische Commander der
arabischen Legion, dazu gezwungen, dem jüdischen Staat seine
beherrschten Gebiete zu übergeben, darunter auch die Dörfer
Taibe und Umm el-Fahm. Er bestand nur auf einer Sache: die
Bauern sollten in ihren Dörfern bleiben können und über volle
Rechte im Staat Israel verfügen. Das Ergebnis sind ziemlich
wohlhabende Kommunen und ihre Bewohner wollen nicht Teil des
geplanten palästinensischen Staates werden. Das ist der beste
Beweis dafür, dass Verschmelzung besser ist als Teilung.
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